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Europa muss seine Häfen klug positionieren, um die Industrie zu erhalten!

17.04.2024

Europa steht vor der Herausforderung, den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft mit dem Erhalt unseres Wohlstands zu verbinden. Boudewijn Siemons, seit Februar CEO der Port of Rotterdam Authority, ruft die europäischen Mitgliedstaaten auf, ihre Kräfte zu bündeln, um das Investitionsklima zu verbessern und systemkritische Industrie in Europa zu halten.

Jahrelang wurde das Gespräch zwischen den Häfen von der Frage beherrscht, welcher der Größte sei. Wenn ich mich heute mit den GeschäftsführerInnen der Hafenunternehmen in Nordwesteuropa zusammensetze, sprechen wir nicht mehr über das Umschlagvolumen, sondern darüber, wie wir gemeinsam eine nachhaltige Zukunft für die Industrie in Europa sichern können. Geopolitische Spannungen und zunehmender Druck auf die Industrie erfordern eine intelligente Nutzung der europäischen Häfen, um unsere strategische Autonomie zu sichern.  

Der Hafen von Rotterdam verfügt über einen großen Industriekomplex und ist eine wichtige Drehscheibe für Container, Energie und Rohstoffe. Hier, wie auch in vielen anderen europäischen Häfen, treffen große Herausforderungen aufeinander: ein nachhaltigerer internationaler Verkehr, zuverlässige Logistikketten für Unternehmen und VerbraucherInnen und die Beschleunigung der Nachhaltigkeit der Industrie - ohne Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Die Häfen können und wollen daher eine tragende Rolle bei der Zukunftssicherung Europas spielen.  

Nehmen wir zum Beispiel die verarbeitende Industrie im Dreieck zwischen den flämisch-niederländischen Häfen und dem deutschen Ruhrgebiet, auf das ein großer Teil der europäischen Produktion entfällt. Die Unternehmen der Chemie- und Stahlindustrie sind in den Häfen angesiedelt, weil sie mit - inzwischen weitgehend fossilen - Rohstoffen und Energie versorgt werden. Das sind große Emittenten, die eine große Verantwortung haben, ihre CO2-Emissionen schnell zu reduzieren. Sie sind auch die Unternehmen, die es uns ermöglichen, Elektronik und Medizin ebenso wie Windräder, Dämmstoffe und Solarzellen in Europa herzustellen. Die meist internationalen Unternehmenszentralen fragen sich nun, ob sie noch eine Zukunft in Europa haben. Das ist besorgniserregend, denn gerade die Industrie kann dazu beitragen unsere Gesellschaft nachhaltiger zu machen.  

Der Rotterdamer Hafen will gemeinsam mit den Häfen Antwerpen-Brügge, Duisburg und North Sea Port eine Vorreiterrolle bei der Verbesserung des Investitionsklimas für die Industrie in Europa übernehmen, damit die Unternehmen hier in Nachhaltigkeit investieren können. Verwalter von Industrieclustern passen wir gemeinsam unsere Infrastruktur an die Rohstoffe und Energien von morgen an, wie zum Beispiel Wasserstoff, damit die nachhaltige Industrie auch weiterhin effizient arbeiten kann. 

Die Häfen stellen fest, dass viele Industrieunternehmen in die Nachhaltigkeit ihrer Produktion investieren wollen, aber noch keine endgültige Investitionsentscheidung getroffen haben. Für sie ist es von entscheidender Bedeutung, dass das europäische Investitionsklima ausreichend Sicherheit und Perspektive für die Zukunft bietet. Das europäische Emissionshandelssystem (ETS) ermutigt die Industrie, nachhaltiger zu werden, und der Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte (CBAM) sorgt für weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen. Eine breit angelegte, stimulierende europäische Industriepolitik ist eine notwendige Ergänzung, um Unternehmen am Standort zu halten, vor allem wenn Europa seine Abhängigkeiten von anderen Ländern verringern und bei der innovativen, nachhaltigen Produktion führend bleiben will. 

Der Platz in den Häfen ist bereits knapp, und eine nachhaltigere Produktion, z. B. durch zirkuläre Verfahren, erfordert viel mehr Raum und stellt mitunter vorübergehend eine zusätzliche Belastung für die Umgebung dar. Wir müssen daher gemeinsam prüfen, welche Maßnahmen wir in Europa wirklich brauchen. Wo steht dieser Platz zur Verfügung - physisch und im Rahmen der Rechtsprechung? Wie werden unsere Häfen und unsere Industrie im Jahr 2050 aussehen, wenn sie klimaneutral geworden sind? Diese Fragen können wir nur gemeinsam beantworten, indem nationale Regierungen die Industrie international betrachten und Europa in diesem Bereich stärker zusammenwächst. Wenn die europäischen Regierungen dies nicht tun, werden Investitionen in die Nachhaltigkeit in Europa ausbleiben und die Industrie wird sich außerhalb Europas ansiedeln. Das bedeutet mehr Importe von außerhalb der EU mit negativen Folgen für das Klima, unsere strategische Autonomie und unseren Wohlstand. 

Ich hoffe, dass die Industrie die Möglichkeit bekommt, den notwendigen Wandel in Europa zu vollziehen. Dazu brauchen wir einen gesunden Wettbewerb und zugleich eine stärkere Zusammenarbeit bei der Energiewende.  

 

Boudewijn Siemons,  

CEO, Port of Rotterdam Authority 

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